Entscheidung und Vereinbarung

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Nach einigen ersten Gesprächen in unserer Modellkommune kam der Anruf des Sozialdezernenten beim Programmanbieter: „Wir sind mit im Boot!“ Die Entscheidung war gefallen, den neuen Online-Elternkurs, flankiert von Unterstützungsangeboten durch Fachleute, zu implementieren: Ein wichtiger Meilenstein für beide Seiten war geschafft, die zweite Phase im Triple P-Implementierungsmodell, „Entscheidung und Vereinbarung“ erreicht.

Ziele

In der Entscheidungs- und Vereinbarungsphase werden die Gespräche zwischen Programmvertretern und implementierender Einrichtung oder Kommune umfangreicher und detaillierter. Während alle Informationen zusammengetragen und bezüglich ihrer Wichtigkeit für die Implementierung eingeschätzt werden, sollten beide Seiten ein gemeinsames Verständnis davon entwickeln, was sie jeweils zum Gelingen des Vorhabens und zum Erreichen der Ziele der Kommune oder Einrichtung beitragen können. Daher arbeiten wir auf eine einvernehmliche Definition der Ziele hin (z.B. bzgl. Zielgruppe, Region, Fachleuten, Einrichtungen), um den Bedarfen in der Kommune gerecht zu werden. Im Landkreis Osnabrück steht vor allem die frühzeitige Unterstützung von Familien im Vordergrund. Familien, die Schwierigkeiten haben, sollen möglichst früh und niedrigschwellig Hilfe in Anspruch nehmen können, d.h. bevor sie in Kontakt mit dem Jugendhilfesystem kommen. Dafür sollen keine neuen Unterstützungsstrukturen geschaffen, sondern die Methodenkompetenzen der Fachleute in der Praxis (in diesem Fall vorwiegend ErzieherInnen und SchulsozialarbeiterInnen) erweitert werden. Gleichzeitig sollen Fachleute ein Hilfsmittel an die Hand bekommen, das der neuen Familienwirklichkeit entspricht und das sie Eltern empfehlen können, die mehr Unterstützung benötigen, als sie selbst derzeit leisten können: Triple P Online. Somit können Eltern an verschiedenen Stellen im System Türen geöffnet werden und Raum für Fragen und Unsicherheiten wird geschaffen, „bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“.

Auswahl eines „Pilot-Sozialraums“

Ansicht der Sozialräume im Landkreis Osnabrück

Die verfügbaren Mittel sollten nicht weit über den Landkreis verstreut, sondern zunächst in einem „Pilot-Sozialraum“ konzentriert genutzt werden, um hier „zu klotzen statt zu kleckern“ und wichtige Lernerfahrungen für die anschließend gewünschte weitläufige Implementierung zu sammeln. Aber in welchem der acht Sozialräume beginnen? In der Fachliteratur werden Konzepte wie „Community Capacity1“ oder „Community Readiness for Prevention2” beschrieben, wenn es um die Frage geht, welche Kommune gute Voraussetzungen für eine Implementierung mitbringt. Hierbei werden folgende Faktoren als hilfreich beschrieben3:

  • Vernetzung innerhalb der Kommune
  • Ressourcen
  • starke Führung
  • Partizipation
  • Gemeinschaftsgefühl
  • Bereitschaft, Schwierigkeiten in der Kommune anzugehen


Bei Betrachtung der Ressourcen war z.B. die aktuelle Belastung der Sozialräume mit anderen Aufgaben relevant. So war ein Sozialraum gerade mit einem zentralen Aufnahmelager für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sehr ausgelastet. Auch die anderen Kriterien waren wichtig: Im ausgewählten Sozialraum bestand bereits eine sehr gute Vernetzung und viel Austausch, vor allem zwischen Kitas und Schulen, welche die angezielte Altersgruppe betreuen. Auch das Engagement der Fachleute vor Ort war besonders hoch, die Trägerlandschaft überschaubar.

Erste Planung

Sind die Ziele definiert und die Region ausgewählt, wird ein vorläufiger Fortbildungs- und Unterstützungsplan erstellt und erste Schätzungen bezüglich der benötigten Materialien werden vorgenommen. Hierfür wurden vom Landkreis Informationen zu den Familien (Anzahl, Altersstruktur der Kinder, soziodemographische Merkmale) und bestehenden Unterstützungsstrukturen im Sozialraum 5 bereitgestellt. Wichtige Personen und Einrichtungen, die involviert werden sollten, waren Kitas und Familienzentren, Schulen (v.a. Schulsozialarbeiter), Jugendhilfeträger, Kinderärzte sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten4. Mit Hilfe eigens entwickelter Planungsinstrumente können auf Grundlage der verfügbaren Informationen verschiedene Präventionsmodelle simuliert und dabei Kosten und Nutzen abgeschätzt werden. Die Auswirkungen kleiner Veränderungen in der Planung (z.B. die Gewichtung unterschiedlicher Präventionsangebote für Familien oder die Zeit, die Fachkräfte investieren können) lassen sich dabei unmittelbar absehen.

Neben Fragen zur Zielgruppe (also den Familien), zu beteiligenden Fachleuten und Einrichtungen wurden zudem erste Überlegungen angestellt, wie die Familien auf die neuen Unterstützungsangebote aufmerksam gemacht werden können. Eine gezielte Informationskampagne ist notwendig, um Eltern anzusprechen und zur Teilnahme zu motivieren. Ebenso stellt sich die wichtige Frage nach der lokalen Koordination. Während eine genaue Ausgestaltung all dieser Bereiche erst in der dritten Phase erfolgt, ist es wichtig, in der zweiten Phase zumindest eine grobe gemeinsame Vorstellung zu entwickeln, um einen allgemeinen Konsens sowie die Finanzierung sicherzustellen.

Auch über das Ausmaß an benötigter Implementierungsunterstützung nachzudenken, ist schon jetzt sinnvoll. Einrichtungen unterscheiden sich bezüglich ihrer Erfahrung und ihrer Kapazitäten für Implementierung: Einige Einrichtungen haben umfangreiche Erfahrungen mit der Implementierung evidenzbasierter Programme und werden kaum Unterstützung benötigen. Andere setzen zum ersten Mal ein evidenzbasiertes Programm um und wünschen sich daher mehr  Begleitung durch den Programmanbieter. Ebenso sollten eventuelle Bedingungen von Geldgebern berücksichtigt werden: Manche verlangen einen ausführlichen Implementierungsplan, bevor sie über eine Förderung entscheiden oder diese ausschütten. In jedem Fall ermöglicht diese Phase eine klare Beschreibung und Zuteilung wichtiger Rollen und Aufgaben.

Ausblick

Ist der allgemeine Rahmen der Implementierung von Triple P vereinbart, so geht die zweite Phase in die dritte und damit oftmals umfangreichste über: Die genaue Planung der Implementierung. Lesen Sie mehr dazu im nächsten Beitrag!



1 Goodman et al. 1998; Labonte and Laverack 2001; Mendel et al. 2008; Sabol et al. 2004

2 Edwards et al. 2000; Feinberg et al. 2004

3 Wandersman et al. 2008

4 Um einen solch interdisziplinären Ansatz zu verfolgen, sind verschiedene Aspekte wichtig zu berücksichtigen - dies wird in der dritten Phase, der Planung der Implementierung, relevant.


 

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