Kennenlernen und Information

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Wie findet man das passende Programm?

Wie kommt eine Fachkraft, Einrichtung oder Kommune an ein Programm, das zu ihr passt? Wir leben in einer Zeit, in der eine schier unbegrenzte Auswahl an Möglichkeiten zur Verfügung steht, und das Sprichwort „Wer die Wahl hat, hat die Qual.“ trifft auch hier zu. Dies gilt nicht nur für die Berufswahl oder die Entscheidung, welchen Kinderwagen man kauft, sondern auch für die Auswahl von Programmen und Konzepten im Berufsalltag. Wie wollen wir arbeiten? Welche Prinzipien und Leitsätze sollen dabei gelten? Und wie werden diese konkret umgesetzt? Wer das Rad nicht neu erfinden möchte, entscheidet sich vielleicht dafür, ein bereits entwickeltes, gut beschriebenes und erprobtes Programm zu implementieren. Und steht dann vor der Frage: Welches nehme ich nur? Gibt man bei Google das Suchwort „Präventionsprogramm“ ein, so erscheinen 118.000 Ergebnisse. Um seinen Weg durch die auf den ersten Blick unübersichtliche Fülle an Möglichkeiten zu finden, sind Hilfsmittel, Leitfragen und/oder Ansprechpartner von großer Wichtigkeit.

Bild: Ratloser Mensch unter Wegweiser

Programmauswahl: Wegweiser und Ratinglisten

Zum Glück gibt es hier in Deutschland inzwischen einige Angebote. Angefangen bei Literatur über Fachausstellungen und -kongresse bis hin zur Grünen Liste Prävention vom Landespräventionsrat Niedersachsen (LPR) und dem kooperierenden Wegweiser Prävention (Deutsches Forum Kriminalprävention und LPR) können die Programme auf unterschiedlichen Wegen kennengelernt werden. Der LPR bettet seine Grüne Liste Prävention sogar ein in ein Gesamtvorgehen namens CTC - Communities That Care. Diese Methode wurde entwickelt, um in Kommunen, Gemeinden und Stadtteilen die Rahmenbedingungen für ein sicheres und gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Basierend auf einer detaillierten Analyse der lokalen Risiko- und Schutzfaktoren können kommunale Akteure und Netzwerke entscheiden, welches die am dringendsten zu bearbeitenden Faktoren vor Ort sind. Mit klar definierten Zielen vor Augen werden dann bestehende Angebote verstärkt oder neue geeignete und wirksame Maßnahmen gefunden. Bei der Auswahl dieser Maßnahmen hilft die Grüne Liste Prävention, die Programme nach ihrer Wirksamkeit beurteilt und beschreibt, welche Risiko- und Schutzfaktoren sie angehen.

Wichtige Grundlage für die Auswahl eines geeigneten Programms ist also sowohl eine klare Problemanalyse als auch Zieldefinition. Erst im nächsten Schritt können dann die geeigneten Maßnahmen zur Zielerreichung bestimmt werden.

Abkürzungen und Irrwege

Ein solches planvolles und zielorientiertes Vorgehen bei der Programmauswahl ist zwar wünschenswert, aber nicht unbedingt die Regel. Oftmals bestehen langjährige Traditionen, bestimmte Programme zu nutzen, oder aber Programme werden über Dritte empfohlen. Auf solche Empfehlungen von bekannten Personen verlassen wir uns häufig viel stärker als auf unabhängige Bewertungen. Würden Sie eher der Empfehlung Ihres Freundes vertrauen oder einem Testbericht im Internet, wenn Sie eine neue Anschaffung machen? Die persönliche Weiterempfehlung birgt viele Vorteile, aber auch Risiken. Meist fällt die Entscheidung schneller und bequemer, wenn man sich auf sie verlässt. Gleichzeitig rückt aber sowohl die Objektivität als auch die wichtige Frage nach der Passung in den Hintergrund. Ein Programm, das in einer Partnereinrichtung gut läuft, muss nicht unbedingt passend für meine Einrichtung sein, denn wir haben möglicherweise ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen, Zielvorstellungen und Umsetzungsmöglichkeiten. Daher ist es wichtig, vor einer endgültigen Entscheidung die Passung genau zu prüfen. Eine Datenbank oder Empfehlung kann einen ersten Kontakt herstellen - aber die Entscheidung zur Implementierung muss auf einer guten gegenseitigen Informationsbasis beruhen.

Kennenlernen und Information

Diese wichtige erste Phase, in der sich entscheidet, ob eine Kooperation zustande kommt, wird im Triple P-Implementierungsmodell mit „Kennenlernen und Information“ beschrieben. Nach der ersten Kontaktaufnahme beginnt ein Dialog zum gegenseitigen Informations-austausch. Zwei Kernthemen, die hier behandelt werden, sind:

  • der Rahmen und die Passung der angedachten Implementierung; sowie
  • Merkmale der Einrichtung oder Kommune, die die Implementierung erleichtern oder erschweren könnten.

In unserer Modellkommune haben verschiedene Aspekte das Kennenlernen erleichtert. Ein Kontakt zum Sozialdezernenten bestand bereits aus früheren Kooperationen. So fanden über einen längeren Zeitraum immer wieder Gespräche statt und beide Seiten hatten eine gute Vorstellung davon, wie der jeweils andere arbeitet. Dazu gehörte z.B. ein Austausch zu den Visionen und Leitbildern, Arbeitsweisen, Zielen und Werten des Landkreises auf der einen und dem Triple P-System mit seinen Fortbildungsmöglichkeiten für unterschiedliche Fachkräfte, seiner Evidenzbasis und seinen Unterstützungsmöglichkeiten für Implementierung und Nachhaltigkeit auf der anderen Seite.

Konkreter wurden die Gespräche dann, als eine neue Entwicklung bei Triple P absehbar wurde: Eine Online-Variante des Elternkurses, die von Eltern selbstständig durchlaufen werden kann. Dieses Konzept passte sehr gut in aktuelle Bedarfe und Ziele des Landkreises Osnabrück, zum einen mit frühzeitig ansetzender Unterstützung den Bedarf für intensive Hilfen zur Erziehung zu reduzieren und zum anderen die bereits bestehenden Angebote zu stärken und zu ergänzen mit einem Programm, das an die „neue Familienwirklichkeit“ angepasst ist. Explizit wollte der Kreis nicht nur etwas für besonders gefährdete, belastete Familien, sondern etwas für alle Familien. Das Mehrebenenmodell von Triple P verfolgt genau diesen Ansatz und die Online-Variante eröffnete neue Möglichkeiten, Familien zu erreichen. Eine Teilförderung durch eine Stiftung konnte die hohen Startkosten, die bei jeder Neuimplementierung anfallen, abfedern, und somit waren die ersten wichtigen Schritte gemacht.

Ausblick

Haben beide Seiten genügend Informationen, um zu vereinbaren, gemeinsam einen Plan zu entwickeln und/oder einen Vertrag zu unterschreiben, der die Angebote und Fortbildungen beschreibt, so geht die erste Phase des Implementierungsmodells in die nächste über: Entscheidung und Vereinbarung. Lesen Sie mehr dazu im nächsten Beitrag!

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